texte von freund*innen des kultursalons

Dieter Jandt

 

Stachelball

man schafft Distanzen

bei gleichzeitig

eröffnetem Grün

an allen Bäumen

 

schnell dichter das Blätterwerk

und wir entfernen

uns voneinander

im Notbehelf

 

welch einen Kontrast

ein Stachelball

mit roten Punkten

 

doch schaffen kann

 

 

Auf der Hardt

drüben boxen sie

verbot`nerweise trainingshalber

bei geringem Abstand

aber:

wie soll man sich sonst auch schlagen?

 

hier nun liegen sie

in ihrem Virenpool

sie im Bikini

er gleich nahebei

lesen Bücher

anstatt zu knutschen

 

ein Frisbee verringert fliegend die Distanzen

Kinder jagen sich

weil sie nicht warten können

auf eine Milderung der Abstandsregel

 

jemand wagt einen Handstand

am nahen Turm

und denkt darüber nach

 

was sich geändert hat


Wolf Christian von Wedel Parlow

 

Ein Herr in olivgrünem Janker

 

Von Walow aus hielten wir auf Minzow zu statt auf Lexow, weil auf halber Strecke, in Woldzegarten, Kaffeegenuss lockte, wie eine Anzeigetafel verriet.

Das Café entpuppte sich dann als das Gutshotel Woldzegarten, das bis 1945, bis zur Enteignung durch die Sowjetische Militäradministration, ein Flotowscher Besitz war, einer der vielen ehemaligen Landsitze derer von Flotow im südlichen Mecklenburg. Die Flotow waren wie viele andere Kolonisten rund einhundert Jahre nach dem Wendenkreuzzug Heinrichs des Löwen ins Land gekommen. Es gab noch „freies“ Land, das die christianisierten Nachkommen Niklots ordentlich bewirtschaftet haben wollten. Die Slawen, die dort lebten, mussten etwas zusammenrücken. Außerdem bekamen sie Arbeit auf den entstehenden Gütern. Das klingt, als sei alles friedlich zugegangen beim Einzug der Kolonisten aus dem Westen. Friedlicher als zur Zeit der Kämpfe zwischen Heinrich dem Löwen und Pribislaw, einem Sohn Niklots, rund einhundert Jahre zuvor war es bestimmt. Aber Heinrich war des Kämpfens irgendwann müde, schloss Frieden mit Pribislaw und gab ihm die Terra Obodritorum zu Lehen. Von da an begann Ruhe einzukehren, Ruhe, die jene von Pribislaw und seinen Nachkommen, den späteren Herzögen von Mecklenburg, ins Land gerufenen Kolonisten nutzen konnten, um ihre Stellung als führende Schicht des Landes auszubauen. 1945 hatte es damit wie gesagt ein Ende. Zu beklagen gibt es da nichts. Wie der gesamte ostelbische Kleinadel haben auch die Flotow zu einem erheblichen Teil an der Aufrichtung des Hitlerschen Reiches mitgewirkt, namhaft vor allem der Gutsbesitzer Andreas von Flotow, NSDAP-Mitglied seit 1929, SA-Oberführer der Gruppe Ostsee seit 1932. Allerdings, das muss zu seiner Ehre erwähnt werden, hat sich Flotow, wie man bei Wikipedia nachlesen kann, Anfang 1933, noch vor der Machtübergabe an Hitler, mit einem „v.F.“ gezeichneten Artikel in der Täglichen Rundschau von dem Regime abgewandt. Er wurde aus der Partei ausgeschlossen und Ende April 1933 von zwei SA-Leuten auf der Flucht erschossen, eine von der SA gern gewählte Methode der Beseitigung politischer Gegner.

Mir war alles vertraut in dem Haus, als sei ich zurück in meiner Kindheit. Trotzdem war mir der Aufenthalt peinlich, wie es mir überall peinlich war, wo ich noch Reste adeligen Gehabes zu spüren meinte. Würde uns auf der Veranda gleich ein Herr in olivgrünem Janker begrüßen, der Uniform des überlebenden Adels? Aber dort saß nur eine junge Dame, Zeitung lesend, während wir uns – Kaffee trinkend – an dem Anblick des paradiesischen Gartens unter uns erfreuten. Meine Ängste waren reine Phantomängste. Zwar bemühten sich die Inhaber, den Gutshauscharakter so weit wie möglich zu erhalten, weil solches Ambiente ganz offensichtlich den Geschmack vieler Gäste traf. Sie taten dies aber auf eine unaufdringliche, sympathische Weise.

 

Aus: Wolf Christian von Wedel Parlow, Durch altes Slawenland. Eine Radreise von Rostock nach Berlin, unveröff. Mskr., S. 33f.